Istanbul//Berlin: Geschichten, Gesichter, Gedanken, Politik, Stimmen, Farben, Orte, Auseinandersetzen und Zusammensitzen, Traumata und Träume.

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Sonntag, 26. Juni 2016

Aufgekratzt // Human traffic - Eckpfeiler des Widerstands // pillars of resistance

Ich sitze gedankenverloren an meinem Fenster in Istanbul, und beobachte wie ein Mann versucht, seinen Kleintransporter in eine zu kleine Parklücke zu drängen. Meine Straße ist eng, und die Parkplätze sind begrenzt. Es scheint ein waghalsiges Unterfangen zu sein, was ihn aber nicht davon abhält, es trotzdem zu versuchen. Er kurbelt hin und her, der Motor heult auf, aber er hat Erfahrung mit den hügeligen Straßen und mit seinem großen Gefährt, also rangiert er weiter. Ich kneife meine Augen zusammen, als er einen Pfeiler schrammt. Er steigt aus, versucht den Pfeiler zu bewegen, aber er ist einbetoniert. Er läuft um den Wagen herum, schaut das andere Auto an, das er fast gerammt hätte. Schließlich legt er den Rückwärtsgang ein, um größeren Schaden zu verhindern, und park stattdessen quer, vor den restlichen Autos, und geht.

Ich ertappe mein Gehirn dabei, wie es sofort Verbindungen herstellt zwischen Dingen die ich beobachte, und dem größeren Bild, in dem der Mann, das Auto, der Pfeiler sich befinden. Vielleicht symbolisiert das Auto die Bemühungen um einen Dialog, um die Durchsetzung von Rechten, die harsch von steinernen Hindernissen aufgehalten werden, und schließlich zur Resignation führt.

Vielleicht ist aber auch das massig wirkende Auto ein Versuch der Einschüchterung, es möchte sich einen Platz ergattern, der ihm nicht zusteht, und rechnet nicht mit Hindernissen, so unscheinbar sie auch vorerst scheinen. Bestimmte kleine einbetonierte Überzeugungen halten an ihrer Einstellung fest, auch wenn ein riesenhafter rauchender, aufheulender Gegner auf sie zukommt.


Ich schaffe Analogien, wo keine sind, was mir nur zeigt, wie sehr das aktuelle Geschehen mich beschäftigt, ich möchte glauben, die kleinen standhaften Pfeiler der Stadt sind die Grundpfeiler des Glaubens an die Menschlichkeit, die sich nicht bewegen lassen, auch wenn große Polizeiautos auf sie zurollen. Leider sind die Menschen aber nicht aus Stein, und Angst wird verbreitet im demokratisch, ja menschlich eingestellten Lager. Ich stelle mir die großen Autos der Stadt vor, wie sie von Politikern gesteuert werden, und keine Rücksicht auf Passanten nehmen, die sich ihnen in den Weg stellen. Ich möchte glauben, dass das Vertrauen in den Frieden die Menschen, die sich für ihn einsetzen zu standhaften kleinen Pfeilern macht, zu Eckpfeilern die daran erinnern, was es bedeutet, Mensch zu sein, und die weiterhin Kratzer in das Hochglanz Image der machthabenden Politiker schrammen, Kratzer in das Ego des autokratisch regierenden Erdogan zeichnen.

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